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Montag, 3. November 2025
Landtagswahl Ba-Wü: Sahras pressescheue Wagenknechte
Von Holger Reile

Im März kommenden Jahres wird in Baden-Württemberg ein neuer Landtag gewählt. Nun hat am 22. Oktober auch das hiesige Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) Hochrhein-Bodensee seine Direktkandidaten im Landkreis Konstanz gekürt. Zumindest eine Personalie lässt aufhorchen.
Aus bislang unerfindlichen Gründen wurde die Presse von der Kandidatenkür – Kandidaten sind tatsächlich nur Männer – kategorisch ausgeschlossen. Warum eigentlich tagte die Partei hinter verschlossenen Türen? Hatte man Angst vor kritischen Fragen? Eine nachvollziehbare Erklärung für diese fragwürdige Entscheidung hat Peter Teichmann, seit August Vorsitzender des BSW Hochrhein-Bodensee, nicht parat. Immerhin ist zu erfahren, dass insgesamt 11 stimmberechtigte Mitglieder anwesend waren.
Die Kandidaten
Für den Wahlkreis Singen wird Ren`é Frey (44) antreten, der seine Brötchen als Zugbegleiter verdient. Ersatzkandidat ist Serdar Sak (36), der laut Pressemitteilung in der Medizintechnik tätig ist. Im Wahlkreis Konstanz will sich der Heilpraktiker, Kaufmann, Ernährungsberater und „Coach für psychologische Schattenarbeit“ Daniel Niedzwetzki (45) um ein Landtagsmandat bemühen, heißt es in der Pressemitteilung, aber ein Ersatzkandidat neben Niedzwetzki habe sich nicht finden lassen.
Eine schillernde Mischung
Ren`é Frey ist kommunalpolitisch schon länger unterwegs. Für die SPD kandidierte er 2019 erfolglos für einen Sitz im Kreistag. Vergangenes Jahr dann tauchte er bei den Kommunalwahlen auf der Liste des Jungen Forums Konstanz (JFK) auf, aber für einen Sitz im Konstanzer Gemeinderat reichte es bei Weitem nicht. Nun hat er sich für einen dritten Anlauf für ein politisches Mandat dem BSW angeschlossen und angeblich habe er, so heißt es in der Pressemitteilung, gute Chancen auf einen „aussichtsreichen Platz“ auf der BSW-Landesliste. Frey kritisiert die „marode Infrastruktur und personelle Unterbesetzung“ bei der Bahn, bezeichnet Stuttgart 21 als „dysfunktionales Milliardengrab“ und plädiert für „funktionierende Mobilität“. Forderungen, die weitestgehend auch von anderen Parteien erhoben werden.
Deutlich spannender wird es da schon, wenn man den BSW-Kandidaten Niedzwetzki genauer unter die Lupe nimmt. Der ehemalige Zeitsoldat stehe für „wirtschaftliche Vernunft, verlässliche Energiepreise (…) Bürokratieabbau, Investitionen in kommunalen Wohnungsbau (…) soziale Gerechtigkeit und faire Chancen“, ist in der BSW-Verlautbarung zu lesen.
Kooperation mit dem braunen Rand
Früher lebte Niedzwetzki in Dortmund und engagierte sich dort für die Piratenpartei, 2017 ließ er sich in Konstanz nieder. Auf ihn aufmerksam wurde man, als er vergangenes Jahr die Wählerinitiative „Konstanz Kommt“ mitgründete, die bei den Kommunalwahlen antrat, aber kein Mandat erringen konnte. Im Vorfeld dieser Kommunalwahl ließ sich Niedzwetzki auch von Gerry Mayr befragen, der als bekannter Rechtsaußen-Querdenker auch längst im AfD-Lager gelandet ist und nach Abschluss des Interviews erklärte: „Der Daniel ist unser Mann“. Dass dieser bestens vernetzt ist mit nationalistisch-völkischen Zirkeln rund um den Bodensee bis weit hinein in die benachbarte Schweiz, gehört zum Geschäftsmodell eines politischen Hütchenspielers, der sich in der öffentlichen Wahrnehmung geschickt verkauft und nun beim BSW einen Neustart plant.

Aber es kommt noch härter: Mit dabei im Konstanz-kommt-Boot war auch Niedzwetzkis Kumpel „Michl“ Bluemm, der seit einiger Zeit ebenfalls energisch für die rechtsradikale AfD trommelt und alle anderen Parteienvertreter für Faschisten hält, die man umgehend „enteignen und einsperren“ müsse. Dementsprechende Einträge sind auf Bluemms Facebook-Seite nachzulesen. Bei einer Debatte über Israel am 8.10. schrieb er neulich: „Sie (er meint die Juden, Anm. d. Verfassers) waren und sind auch heute noch gierig und Menschen verachtend und diskriminierend unterwegs (…) Ein funktionierender fairer Staat muss solchen Menschen Einhalt gebieten“. Deutlich antisemitischer geht es wohl kaum.
Kurz nach der für sie deutlich gescheiterten Kommunalwahl waren Niedzwetzki und Bluemm auch Geburtshelfer eines Stammtisches in einer Konstanzer Weinstube, in der sich mehrheitlich so ziemlich alles trifft, was die rechte Szene aufzubieten hat: Verschwörungstheoretiker, Klimawandel-Leugner, Windkraftgegner, Reichsbürger und AfD-Propagandisten.
Dürre Antworten
Angesprochen auf diese Fakten rund um Daniel Niedzwetzki äußert sich Peter Teichmann auffällig schmallippig. Bei der Kritik an dem Direktkandidaten für den Wahlkreis Konstanz handle es sich seiner Meinung nach um ein „Konstrukt von ‚Kontaktschuld‘, mit dem aus unserer Sicht jegliche Diskussion zuverlässig vergiftet werden kann (…)“. Und: „Viele – so auch unser Kandidat – hatten auf ihrem Weg Mitstreiter, die die Antworten auf die Fragen dieser Zeit bei anderen Parteien und Gruppen suchen, deren Position wir nicht unbedingt oder sogar überhaupt nicht teilen“. Da kann die logische Schlußfolgerung eigentlich nur lauten: Das BSW Hochrhein-Bodensee, das für sich in Anspruch nimmt, die einzig wahre Friedenspartei zu sein, hält die Tür weit offen für allerlei Figuren aus dem rechtsradikalen Lager.
Gar nicht antworten auf die Frage, was er über die Aktivitäten und politischen Hintergründe seines Parteigenossen Niedzwetzki denkt, wollte der BSW-Direktkandidat für den Wahlkreis Singen, René Frey.
Text: Holger Reile. Transparenzhinweis: Der Autor dieses Beitrags ist parteilos und Stadtrat der Wählerinitiative Linke Liste Konstanz (LLK)
Anbei der nicht veröffentlichte Leserbrief von Herrn Daniel Niedzwetzki.
Hömma! Hach. Da schau her! Wie amüsant. Es gärt und brodelt am Bodensee. Ein Skandal – nein, eine Staatsaffäre – erschüttert die beschauliche Idylle. Der hocherhabene Lokaljournalist und parteilose Mandatsträger der „Linken Liste“, Herr Holger Reile, hat die Witterung aufgenommen. Er hat geschnüffelt, er hat gewittert, er hat – man halte sich fest – „aufgedeckt“.
Was aber hat der wackere Streiter für die reine Lehre ans Licht gezerrt? Etwa schnöde Korruption? Politische Günstlingswirtschaft? Skandalöse Aussagen? Nein, es ist viel, viel schlimmer: Ein BSW-Kandidat spricht mit Menschen!
Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen. In einer Zeit, in der die Demokratie angeblich vom Diskurs lebt, hat Herr Reile die ultimative Erbsünde des 21. Jahrhunderts identifiziert: die „Kontaktschuld“. Es ist die geistige Inquisition für den Hausgebrauch. Man ist nicht mehr, was man denkt, sagt oder tut. Man ist, wen man kennt, wem man die Hand gibt oder – Gott behüte – mit wem man in einer Weinstube gesehen wird.
Herr Reile, der in seinem „Seemoz“-Blog mit der Eleganz eines preußischen Feldwebels durch die Biografien seiner politischen Gegner marschiert, betreibt hier keine Analyse. Er betreibt Buchhaltung. Es ist die penible Buchführung eines Gesinnungswartes, der eifrig Strichlisten führt: „War bei den Piraten? Ein Strich.“ „Gründete ‚Konstanz KOM.MT‘? Ein Strich.“ „War bei den Corona-Maßnahmen-Protesten und wurde von Gerry Mayr interviewt? SKANDAL! Rotes Kreuz!“
Das ist nicht Journalismus. Das ist die Denunziation als intellektuelle Disziplin.
Mit welch moralischer Überlegenheit wird da geurteilt! Man wirft dem BSW vor, hinter verschlossenen Türen zu tagen, während man selbst im stillen Kämmerlein die Facebook-Profile von Bekannten durchforstet, um Zitate – ob antisemitisch oder „emotional polemisch“, sei mal dahingestellt – hervorzukramen und sie dem politischen Gegner wie einen nassen Lappen um die Ohren zu hauen. „Sehen Sie, was sein Kumpel schreibt! So einer will in den Landtag!“
Die Logik ist bestechend: Wer mit einem Tanzlehrer auf einer Liste stand, der zwar Menschen aller Herkunft unterrichtet und kostenlose Kurse für Flüchtlinge gegeben hat, aber auf Facebook gerne mal motzt, muss selbst mindestens auch ein schlimmer Unmensch sein. Wer sich mit Leuten an einen Tisch setzt, die von Herrn Reile als „Reichsbürger“ oder „AfD-Propagandisten“ gebrandmarkt werden, muss deren Ideologie teilen – ganz gleich, ob es sich dabei um die Moderation eines offenen Stammtischs handelt, bei dem Bürger aller Richtungen und Schichten sowie Mitglieder und Funktionäre von mehr als einem halben Dutzend Parteien ( als auch Herrn Reiles eigener Liste ) zu Gast sind und miteinander debattieren.
Und dieses „KN KOM.MT“, das der Chronist so schnöde abhandelt? Mit nur vier Kandidaten ins Rennen gegangen (anstelle von vierzig), aber nur wenige Dutzend Wähler vom Mandat entfernt – das ist kein Scheitern, Herr Reile, das ist ein Votum für Ideen. Ideen, deren „rechtsextreme“ Natur Sie so eifrig beschwören, aber nie zitieren! Ein Schelm, wer da einen Blick auf die öffentlich einsehbare Webseite werfen müsste, um die eigene Behauptung zu belegen. Es ist nämlich völliger Kappes, was Sie schreiben. Doch warum zitieren, wenn man denunzieren kann?
Was für eine wohltuend schlichte Welt, in der Herr Reile da lebt! Eine Welt ohne Zwischentöne, ohne die anstrengende Notwendigkeit, einen Menschen nach seinen eigenen Aussagen zu beurteilen. Wozu auch? Das Etikett genügt.
Man stelle sich vor, ein Mann, der „links“ im Namen seiner Wählerinitiative führt, hätte die Größe, den politischen Gegner im direkten Diskurs zu stellen. Stattdessen verlegt er sich auf das, was der
deutsche Spießer schon immer am besten konnte: das moralische Zeigefinger-Turnen. Es ist der alte, muffige Geist des „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“ – nur neu lackiert im eigenen Narrativ.
Als der BSW-Vorsitzende Teichmann auf diese Fakten angesprochen wird, reagiert er – wie Herr Reile pikiert notiert – „auffällig schmallippig“. Der Grund für diese Schmallippigkeit? Teichmann wagt es doch tatsächlich, das Ganze als „Konstrukt von Kontaktschuld“ zu bezeichnen. Ein Treffer – versenkt! Doch Herr Reile, ganz der unerschütterliche Chronist, hält diesen Begriff zwar fest, scheint aber nicht zu bemerken, dass er damit das Namensschild seiner eigenen journalistischen Methode zitiert. Man wirft dem BSW vor, die Tür für „Figuren aus dem rechtsradikalen Lager“ offenzuhalten. Aber was tut Herr Reile? Er schmiert jeden, der nicht in sein Weltbild passt, mit dem Pinsel der „rechten Szene“ an. Er vergiftet die Diskussion, die er angeblich schützen will. Andernfalls könnte man sich ja damit auseinandersetzen, ob die Herausgeber der erwähnten Medienformate wirklich „völkisch-nationalistisch“ sind.
Vielleicht ist es ja das, was der Autor als sein Problem mit „Meinungspluralismus und direkter Demokratie“ identifiziert: Es ist anstrengend. Es erfordert, dass man auch die Ansichten erträgt, die einem nicht passen. Es erfordert, dass man zwischen einem Gespräch und einer Zustimmung unterscheidet.
Aber diese Differenzierung scheint für den Chronisten vom „Seemoz“ eine Überforderung zu sein. Es ist eine geistige Bequemlichkeit, die sich da breitmacht, ein Mangel an Scharfsinn, der durch Lautstärke ersetzt wird. Man könnte es fast für jenen Starrsinn halten, der mit den Jahren kommt – wäre es nicht so gefährlich für die Debattenkultur.
Was also bleibt von dieser „Enthüllung“? Das Porträt eines Mannes, der lieber denunziert als debattiert. Der das „braune“ Gespenst unter jedem Bett sieht, solange es ihm nützt, und dabei selbst die Axt an die Wurzel des Pluralismus legt.
Kurt Tucholsky schrieb: „Der gute Geschmack ist eine Angelegenheit des Mutes.“ Herr Reile, für diese Art von Texten braucht man garantiert keinen Mut – nur eine Gesinnung.
Es ist die intellektuelle Bankrotterklärung des Gegners, wenn er lieber zum Schmierpinsel der Kontaktschuld greift, als sich mit den Positionen – z. B. auf der öffentlich einsehbaren Webseite von „KN KOM.MT“ oder dem Programm des BSW – auseinanderzusetzen.
Also, liebe Freunde: Wer wissen will, was ich und/oder das BSW wirklich vertreten, der hat die Mittel und die Pflicht zur Mündigkeit. Informieren Sie sich direkt bei den Quellen. Fragen Sie nach, lesen Sie nach. Überlassen Sie die Denunziation und die billigen Spaltversuche dem Blockwart. So kann man diesen Versuchen Einhalt gebieten, die Debatte zu vergiften und die Bürger in vorauseilendem Gehorsam weiter zu spalten.
In diesem Sinne – schönen Abend. Peace!
Anmerkung der Redaktion:
Gerry Mayr ist nicht „bekannter Rechtsaußen-Querdenker auch nicht im AfD-Lager gelandet“.
Das ist eine Lüge und Unterstellung!
Gerry Mayr ist ein weltbereister Abenteurer und seit 14 Jahren freier Journalist. In der Regel verbringt er drei Monate im Ausland und hat fast alle Kontinente dieser Erde mit eigenen Fahrzeugen bereist. Dabei lebt er mit den Menschen vor Ort. Er unterstützt alle friedlichen Parteien und hat keine spezifische Bindung zur AfD oder anderen rechten Parteien.

