Die „Bier-Idee“ Konstanz oder besser, wenn eine Stadt die Welt retten will, und sich dabei selbst verliert.

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Achtung: Kann Spuren von Sarkasmus und Ironie enthalten.

Konstanz also, oder besser das „Lago di Costanza“, diese sonnenverwöhnte, pittoreske Perle am Bodensee, historisch gewachsen, kulturell reich, touristisch gefragt, seit Kurzem aber auch spirituell erleuchtet.
Denn Konstanz will nicht weniger als die moralische Wiedergeburt der westlichen Zivilisation. „Smart Green City“ nennt sich das, es klingt wie ein veganer Smoothie mit KI-Zusatz, ist aber in Wahrheit der ambitionierte Versuch, Naturgesetze, Menschenverstand und soziale Realität in einem einzigen städtischen Leitbild aufzulösen, wie eine Brausetablette gegen den Klimakater.

Die Stadt hat sich vorgenommen, bis 2035 klimaneutral zu werden. Nicht etwa „ein bisschen weniger CO₂“, nein, vollkommen neutral, reingewaschen wie die Seele eines frisch gebackenen Konfirmanden. Das ist ungefähr so, als wolle man einen Marathon rückwärts laufen, barfuß, auf einem Nagelbrett, mit verbundenen Augen und dabei eine PowerPoint-Präsentation halten.
Wer sich fragt, wie das gehen soll, dem sei ein Blick in die heiligen Schriften der Konstanzer Öko-Offenbarung empfohlen. Weniger Fleisch, weniger Kleidung, weniger Urlaub, weniger Auto, weniger Energie, weniger Leben. Dafür mehr Workshops, mehr Bürgerbeteiligung, mehr digitale Verkehrsleitsysteme mit Genderinterface und CO₂-Sensorik. Konstanz denkt das Klima ganzheitlich, und den Bürger gleich mit.

Ein Drittel der Innenstadt besteht ohnehin schon aus Studenten, die mit Lastenrädern in Drittmitteln denken, in Zitationen leben und „Degrowth“ für ein erotisches Konzept halten. Der Rest? Rentner mit Thermomix, Pendler mit Diesel, Handwerker mit Werkzeug, Familien mit Einkaufszetteln, Einzelhändler mit Existenzangst.
Also Menschen, die nicht morgens um acht auf einem Klima-Barcamp sitzen und über den ökologischen Fußabdruck von Unterhosen sinnieren, sondern schlicht versuchen, ihr Leben zu leben. Mit Heizung, und Fleisch, und Kleidung. Nicht nur einmal im Jahr.

Doch Konstanz will nicht mit der Realität reden, sondern mit der Vision. Der OB Uli Burchardt, ein bekennender Bierkenner, sieht sich als grünen Retter der Welt, als Klimanotstandskämpfer gegen die Natur.

Man träumt sich grün, jünger, digitaler, moralischer, gerechter, smarter. Und wer da nicht mitzieht, ist nicht einfach skeptisch, sondern latent verdächtig. Kritiker werden etikettiert wie Biotonnen, als Klimaleugner, Fortschrittsverhinderer, CO₂-Volk. Gewerbetreibende? Kollateralschaden auf dem Weg ins Ökotopia. Touristen? Ökologisch suboptimal. 

Vielleicht kann man sie ja durch Avatar-Touren ersetzen, digital durch die Altstadt schlendern, CO₂-neutral, aber auch seelenfrei, dafür mit nachhaltigem WLAN.

Und dann stellt sich die Frage: Was passiert mit jenen, die das alles nicht wollen oder nicht können?
Werden sie pädagogisch umerzogen, mit Veggie-Kochkurs und CO₂-Fastenkalender?
Oder werden sie aussortiert wie klimaschädliche Altlasten?
Gibt es irgendwann klimabezogene Einreisebeschränkungen, ein digitaler Ablasshandel, bei dem man als Tourist CO₂-Zertifikate vorlegen muss, um ein Foto am Hafen zu machen?

Und wie hält es die Stadt mit dem Tourismus, dem letzten wirtschaftlichen Standbein, das nicht aus Brüsseler Fördertöpfen besteht? 

Verzichtet man künftig auf die Besucher aus NRW, die mit Leberkäsliebe und SUV anreisen? 

Haben die Hoteliers, die Wirtshäuser, die Einzelhändler dann eben einfach Pech gehabt? 

Zieht der Tourist nun weiter nach Meersburg oder Friedrichshafen, wo es noch Fleisch gibt und man mit dem Boot fahren darf, ohne dass eine CO₂-Drohne zur moralischen Luftüberwachung startet?

Während sich Konstanz also die Welt schönrechnet, indem man sie aus dem eigenen Stadtbild verbannt, glaubt man tatsächlich, mit einem Klima-Aktionsplan, drei Workshops und ein paar Fördermillionen aus Brüssel könne man physikalische Grundprinzipien außer Kraft setzen.
Man scheint zu glauben, dass das Geld nicht irgendwo erst erwirtschaftet werden muss, bevor es als klimaneutrale Illusion an die Ufer von Konstanz gespült wird.
Und dabei übersieht man geflissentlich, dass der Eigenanteil, den die Konstanzer Bürger am grünen Wunder leisten, keineswegs null ist, sondern in steigenden Abgaben, wachsender Gängelung und dem fortschreitenden Verlust an normalem, nicht zertifiziertem Lebensgefühl besteht.

Wer trifft diese Entscheidungen eigentlich?
Ein Zirkel selbstverliebter Zukunftsliturgiker, die „Partizipation“ sagen, aber Umsetzung meinen, und „Klimagerechtigkeit“ sagen, aber Entmündigung betreiben?
Und warum stimmen so viele Bürger trotzdem mit?
Vielleicht aus Angst, als Klimasünder öffentlich geächtet zu werden.
Vielleicht auch aus Resignation.
Oder weil sie längst begriffen haben, dass es sich leichter lebt, wenn man im Zweifel einfach nickt und weiter Fleisch isst. Heimlich. In Radolfzell.

Konstanz gleicht in seinem grünen Höhenflug jener Ikarus-Figur, die sich Flügel aus Subventionen und Selbstgewissheit gebaut hat und nun gen Sonne flattert, in der Hoffnung, die Thermodynamik möge angesichts moralischer Überlegenheit ein Einsehen haben.
Doch wie wir wissen, schmilzt auch das ambitionierteste Bienenwachs, wenn es zu nah an die Sonne gerät.

Und so steht Konstanz heute da, wie eine Stadt im Rausch der eigenen Reinheit, mit erhobenem Zeigefinger, aber blindem Auge für das Menschliche, mit grüner Brille und Scheuklappen aus Idealismus.
Der See glänzt, der Himmel ist blau, das CO₂ wird gemessen, nur die Freiheit, die frische, unregulierte, eigensinnige Freiheit des Bürgers, sie ist irgendwie abhandengekommen. Vielleicht findet man sie ja wieder, wenn man einmal im Jahr Kleidung kaufen darf, gebraucht versteht sich, in Radolfzell.

M.M.

2 Kommentare

  1. Danke, danke, danke, was für ein herrlich sarkastischer, direkter, treffender Kommentar✊Nahezu 25 Jahre habe ich Leserbriefe geschrieben, ohne Scheu, aus Wut und Verzweiflung, immer mit Herzblut. Und mich an sämtlichen wichtigen Initiativen beteiligt, um ein Stück „altes Konstanz“, ein Stück Heimat zu retten. Irgendwann habe ich aufgegeben, Uli B. und seine hörigen Mitstreiter in Verwaltung und Gemeinderat konnte ich nicht mehr ertragen, diese herz- und seelenlosen Figuren, die dem treudoofen Bürger Heimatliebe vorgaukeln und unsere einst einzigartige Stadt den Investoren „zum Fraß“ anbieten, die uns Einheimische und unsere Bedürfnisse und Rechte schlichtweg ignorieren. Deren absurde, heuchlerische, verlogene Welt ist nicht meine, zu wenige Menschen hier stehen auf, wehren sich gegen den Ausverkauf ihrer Heimatstadt, gg. jenen Schwachsinn, der letztendlich jenem gleicht, der von Berlin/Brüssel ausgehend alles zerstört, was unser Land, hier unsere Stadt, einst ausgemacht hat. Und dadurch auch die Menschen. Der Großteil der Einheimischen ist bis heute der Meinung: „Do ka mo jo doch nix mache“. Doch, wären wir Viele gewesen, die Gesicht gezeigt hätten, hätten wir es zumindest versuchen können. Von „meinem Konstanz“ habe ich mich verabschiedet. Meine Energie und Kraft „investiere“ ich seit einigen Jahren für ein größeres Ziel. Schön zu wissen, dass es auch andere „Aufgewachte“ gibt

    1. Guten Tag Angelika, vielen Dank für den Kommentar.

      Wir freuen uns immer über Leserbriefe oder auch Texte, Bilder, Videos, Anregungen zu Konstanzer und weltweiten Themen.

      Viele Grüße Gerry

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